Zumindest unter den meisten E-Gitarristen ist „shredden“ ein Begriff. Es heisst, dass man WAHNSINNIG schnell spielt. Nicht in allen Genres ist shredden wichtig, aber wir haben selbstverständlich einen bei uns, der das kann. 2008 bekam der Ausdruck „shredden“ plötzlich eine andere Bedeutung: Der Finne Santeri Ojala, seinerseits zwar im Besitz mindestens einer Gitarre und zweifelsohne einem hervorragenden Gehör, aber ohne Ambitionen auf Ruhm und Ehre als Gitarrist, verhalf dem Shredding zum Schicksal, das im Namen steckt: Er knipste die Original-Tonspur aus und legte selber eine drüber, die zerknitterter kaum sein könnte.
Die Kunst hinter den Shreds ist das Timing: Die verhunzten Töne, vergriffenen Akkorde und abgewürgten Riffs sind exakt mit den Videoaufnahmen synchronisiert. Man sieht den grössten Rockstars dabei zu, wie sie ihre Überhits mit kompromisslosem Verve raushauen, während einem die Ohren bluten. Die Idee entstand, als eines Abends bei Santeri der Ton aussetzte, während grad Steve Vai eines seiner Übersoli… naja, eben: solierte. Der Anblick dieses Gitarrengotts war ohne den Ton geradezu lächerlich (etwa so, wie wenn man in der Disko steht und sich die Musik wegdenkt) und inspirierte Santeri zu seiner Idee, die inzwischen längst nicht mehr nur in der Rock-Welt grassiert. Es wäre fantastisch, ich könnte euch einen Link angeben, wo Santeri im Interview selber all das erzählt – aber wie unzählige seiner Shreds ist auch er selber der Zensur zum Opfer gefallen:



Irgendwem ist die Sache mit den Shreds offensichtlich sauer aufgestossen. Es wird gemunkelt, drei selten humorlose Gitarristen hätten den Spass abgewürgt – unterm Strich bleibt der saure Beigeschmack, dass dem YouTube-Claim „Broadcast Yourself“ mit ausreichend Dollares problemlos der Mund gestopft werden kann. Denn der Erfolg der Shreds kam wohl für alle überraschend: Nicht wenige der Shreds hatten innert weniger Monate mehr Klicks als die Originalvideos. Dabei sind sie beileibe nur eine Beleidigung und ein Plagiat: Die Hingabe und Leidenschaft, die notwendig ist, um eine Solosequenz derart nachzubauen, erfordert chirurgische Präzision, ein meisterhaftes Gehör und ein breites Repertoire an technischem Know-How. Das Shred-Video ist nur beim Hinsehen noch immer dasselbe; beim Hinhören ist es ein komplett anderes Erlebnis! (Oh, und à propos „beim Hinhören ein komplett anderes Erlebnis“: Shredden ist natürlich nicht nur den Gitarren vorbehalten) Aber OK, genug lamentiert. Besser ein paar Shreds gucken! Zum Einsteigen ein Traumkandidat:
Ohne Grösse kein Shred:
…und natürlich auch keinen Shred vom Cover:
Nochmals die Regel mit der Grösse:
Für alle, die sich schon gefreut haben, dass die Spanische Gitarre unversehrt bleibt:
Und zum Schluss noch ein unerwartetes Phänomen: Es gibt tatsächlich eine Band, deren Shred besser klingt als das Original.
PS aus aktuellem Anlass: Anna Rossinelli, deren Bassist Georg bei uns unterrichtet, sorgte mit ihrem WeMakeIt-Projekt für Unmut in der 20Minuten-Community. Und beim Lesen bin ich auf diesen Link gestossen, wo unser SRF die Anna shreddet – und zwar schon 2014 (!)
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