Unsere Gesangslehrerin Nina Reiter lässt sich ausbilden auf einem Ansatz, der in der Schweiz beim Gesangsunterricht noch sehr progressiv ist. Für Instrumentor berichtet Nina immer wieder aus ihrem Trainings-Alltag, erklärt die Idee hinter und ihre Begeisterung für Estill-Voice-Training und gibt Einblick in die Herausforderungen und Erfolgserlebnisse ihrer doppelten Rolle als Gesangslehrerin und Gesangsschülerin.


So, und wieder einmal verging der Jänner zu schnell um die Neujahrsvorsätze dann auch wirklich in die Tat umzusetzen, weswegen die meisten (also nicht, dass ich jemandem etwas unterstellen will) ihre Vorsätze schon über Bord geworfen haben. Aber kein Grund zur Panik, hier präsentiere ich euch meinen wichtigsten Vorsatz für 2015, der unverschämt leicht eingehalten werden kann und den ihr mir sehr gerne abgucken dürft:

2015 werde ich mich immer (also vor jedem Gig, jeder Probe und jeder Session unter der Dusche) einsingen und danach immer mein Cool-Down machen.

Jetzt ist meistens der Zeitpunkt für die fragenden Blicke gekommen. Einsingen? Ja, manchmal, aber – hä, Cool-Down? Genau, Cool-Down. Das, was Athleten nach der Turnerei machen und was auch wir Sängerinnen und Sänger machen sollten. Weil die Stimmlippen ein Muskel sind und ein Muskel sich freut, wenn er vor der Action warm werden darf und danach nicht gleich in die nächste Bar gezerrt, sondern erstmal gestretcht wird.

Das „Runter von der Bühne, ab zur Bar, rein ins Bier, raus in die Kälte zum Rauchen“-Ritual ist nun mal nicht das, was die Stimme nach getaner Arbeit glücklich macht, und genau das ist dann auch am nächsten Morgen spürbar, wenn man problemlos eine Tom-Waits-Coverband gründen könnte.

Und damit zum praktischen Teil. In diesem Video (Estill Voice Training Tips for the Range and Break) zeigt euch Estill CCI Tom Burke meine absolute Lieblingsübung, die Estill Sirene, von mir auch gern „das traurige Hündchen“ genannt, der ich jeden Tag mindestens 45 Minuten schenke. Zum Aufwärmen, runterkommen und als Snack für Zwischendurch. Das traurige Hündchen ließ mich einen Gig, den ich trotz meiner ersten Kehlkopfentzündung im letzten Herbst singen musste, überstehen und sorgte dafür, dass ich nach einer Woche wieder vollkommen fit war.

Jetzt hör ich schon leise Stimmen im Hintergrund flüstern: „Aber das ist ja total unspektakulär.“ Ja, vielleicht ein wenig unspektakulär, weil leise, aber lasst euch nicht täuschen: Kontrolliert leise singen zu können, ohne dass ein Luftstrom mit Windstärke 12 ins Mikrophon pfeift, ist eine sehr hohe Kunst.

Meine erste Sirene im Jahr 2012 klang übrigens eindeutig wie ein jaulender Hund, der wackelig auf nur auf einem Bein steht. Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum ich die Übung erst nach einer Weile schätzen lernte.

Deswegen an dieser Stelle meine heißen Tipps für’s fröhliche Winseln: So blöd man sich beim Jammern und Winseln auch vorkommen mag, maßlos übertreiben heißt die Devise! Denn das Jammern ist ein natürlicher Auslöser, um die Muskeln rund um den Schildknorpel zu aktivieren und ihn nach vorne neigen, was die Stimmbänder dann wunderbar in die Länge zieht und sooo schön strecht.

Außerdem, während dem „ng“ ein „i“ denken, damit der Zungenrücken sicher dort bleibt wo er hingehört, nach oben. Wenn es höher wird oder ich größere Tonabstände zu „winseln“ habe, drücke ich zusätzlich den Zungenrücken gegen die obere Zahnreihe, damit mir meine Zunge sicher nicht ins Handwerk pfuscht, sondern da bleibt, wo ich sie am liebsten habe, Rücken hoch oben. Mit diesen Tipps und ein klein wenig oder manchmal auch mehr Geduld sollte bald der nächste Tierschutzverein bei euch klingeln, um nach dem Rechten zu sehen!

Wer übrigens vom Winseln nicht genug bekommen kann und wissen möchte, wer wie was Epiglottis, Schildknorpel usw. sind und was man alles damit anstellen kann, dem darf ich freudig verkünden, dass von 12.-15. März 2015 ein Estill Level I Kurs mit Estill CCI Gerald Marko in Luzern stattfindet. Infos zur Anmeldung usw. gibt’s bei mir

Also: Manege frei für Neujahrsvorsatz Nummer II: Aufgegeben wird nur der Brief! In diesem Sinne, fröhliches Winseln und ein gutes Neues!


Neugierig geworden? Im März 2015 findet der erste Estill Voice Training Kurs in Luzern statt, viele neue Klangfarben inklusive. Frag einfach die Nina!

Nina Reiter unterrichtet für Instrumentor Jazz- und Pop-Gesang in Luzern.

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Sie wurde in Graz, Österreich, geboren und singt seit ihrer frühesten Kindheit. Mit dreizehn Jahren entdeckte sie ihre Liebe zum Jazz. Nach dem Bachelorstudium in Wien zog sie 2013 nach Luzern, um dort ihren Performance Master abzuschließen. Nach 2 Jahren Erfahrungen mit Estill-Voice-Training und dem bereits bestanden Estill Certificate of Proficiency macht sie seit 2013 die Ausbildung zum Certified Master Teacher bei Gerald Marko.