Egal, wo du wohnst, in der einen oder anderen Form hast du von der Sache sicher schon Wind bekommen: Vor zwei Wochen ging ein Facebook-Post von Singer/Songwriter Luca Little dermassen viral, dass selbst die gestandenen Schweizer Pop-Grössen bis auf Weiteres aussehen werden wie Ministranten.

Wer nicht auf Facebook nachlesen kann oder will, was geschehen ist, hier eine steife Zusammenfassung der Ereignisse (oder noch steifer hier): Luca Little veröffentlichte dort ein Foto mit einer Grussbotschaft in die Philippinen, nachdem eine Philippina seinen Song „Hello“ auf YouTube gehört und ihn dort in einem Kommentar um eine persönliche Nachricht gebeten hatte. Besonders der Facebook-Post ging in der Folge „viral“ (er ‚infizierte’ Abertausende andere Nutzer, der grösste Teil davon in den Philippinen), aber auch sein YouTube-Video wurde nicht nur fleissig geschaut, sondern hingebungsvoll kommentiert.

Der Post, der so viele Steine ins Rollen brachte.
6 Tage nach dem Post, am 28. Januar, um 15:40 Uhr, sind es 75’668 Likes, 1’150 Kommentare und 253 Shares. Am 4. Februar sind es um 9:00 Uhr 80’259 Likes, 1’244 Kommentare und 265 Shares.

Bei Instrumentor waren die Likes, Kommentare und Shares des Posts sowie die Page-Likes von Luca Little DAS Thema der letzten Woche: Jeder, der morgens ins Büro kam, hatte jeweils die aktuellsten Zahlen, und wir verfolgten den Raketenflug so gebannt wie noch in der Woche davor den Euro-Absturz.

Und während sich die Medien für Interviews langsam in einer Schlange anstellen müssen, haben wir zusätzlich zum Umstand, dass Luca Little nicht nur ein wahnsinnig umgänglicher Typ ist, das Privileg, dass er als Gitarren- und Gesangslehrer mit Instrumentor zusammenarbeitet. Da kriegt man eine längere Audienz  und jetzt profitieren alle davon:

Konntest du überhaupt schlafen am vergangenen Donnerstag?

Ich habe sogar sehr gut geschlafen. Denn ich habe den Post erst abends abgesetzt und mir nicht viel dabei gedacht. Eigentlich wollte ich mich damit vor allem an meine Schweizer Fans wenden und meine Freude mit ihnen teilen. Niemand hätte doch damit gerechnet, dass dann so etwas passiert! Ich meine, schon die 400 Likes, die der Post am nächsten Morgen hatte, waren für mich Grund genug, meinem Management einen Screenshot zu schicken.

Deutlich weniger geschlafen habe ich allerdings beim nächsten Post, wo ich mich mit einem Video persönlich bedanke und eine Accoustic-Version von „Hello “ spiele. Das war eine geplante Reaktion, und wir alle in meinem Team hatten ehrlich gesagt schon eine gewisse Angst, dass jetzt nichts mehr passieren würde. Ich habe also die ganze Nacht ständig auf mein Telefon geguckt. Gottseidank waren unsere Ängste aber unbegründet.

(Am 4. Februar um 9:15 sind es 17’192 Likes, 1’232 Kommentare und 1’243 Shares. Inzwischen sind zwei weitere Posts hinzugekommen. Der erste am 31. Januar mit 31’124 Likes, 1’086 Kommentaren und 280 Shares; der zweite am 3. Februar mit 2’197 Likes, 174 Kommentaren und 62 Shares.)

Als du zugesehen hast, wie die Likes immer mehr und mehr werden – was hast du so für Pläne geschmiedet?

Natürlich will ich hier anknüpfen. Gemeinsam mit meinem Team haben wir uns sehr viele Gedanken dazu gemacht, wie wir am besten reagieren, um auf dieser Welle reiten zu können.

Für mich bedeutet das einerseits, dass ich natürlich Partner vor Ort finden muss – was nicht ganz einfach ist, wie du dir vorstellen kannst.

Andererseits ist damit aber auch ein Sprungbrett für die Schweiz entstanden, weil das Ausmass der Interaktionen einfach alles bisher in der Schweiz Gesehene um Längen übertrifft. Und es ist ja nicht nur der Facebook-Post: Auf Instagram geht auch die Post ab, ältere Posts auf Facebook kriegen Likes, meine Songs auf YouTube werden häufiger gespielt… Das bleibt hier natürlich nicht unbemerkt. Momentan gebe ich darum sehr viele Interviews.

Welchen Plan ich dann aber umzusetzen versuche, kann ich noch nicht sagen.

[Update: es hat ziemlich sicher etwas mit einer Flugreise zu tun].

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Wer damals Pioniergeist bewiesen hätte, würde wohl bald mit vollen Armen aus unserem internen Wettbüro laufen.

Ist so ein Hype immer Grund zur Freude, oder beginnt man irgendwann skeptisch zu werden?

Im Gegenteil: Als ich kurz nach den 400 ersten Likes schon bei 2’500 war, dachte ich, dass mir jemand einen Streich spielt. Ich war also zu Beginn skeptisch.

So viel Interaktion auszulösen, setzt einerseits grossen Druck auf, klug zu reagieren – andererseits hat die Popularität dieses Posts irgendwann eine Dimension erreicht, wo jemand im Meeting sagte: ‚1000 Likes mehr oder weniger spielt bei der Zahl auch keine Rolle mehr.’ Das ist natürlich eine vielversprechende und komfortable Situation.

Trotzdem darf man die Zahlen nicht überschätzen: Wer auf Social Media ein Like vergibt, kommt nicht unbedingt auch an ein Konzert. So gesehen sind die Zahlen nur ein Indikator, aber überhaupt keine Garantie.

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„Man darf die Zahlen nicht überschätzen: Wer auf Social Media ein Like vergibt, kommt nicht unbedingt auch an ein Konzert. Diese Zahlen sind keine Garantie, bestenfalls ein Indikator.“

Was denkst du dazu, dass jetzt der grösste Teil deiner Likes sich nur auf die obersten vier Posts bezieht?

Sich darüber aufzuregen, wäre völlig unangemessen. Ich finde überhaupt nicht, dass das problematisch ist. Es ist ja nicht so, dass alle nur die obersten vier Posts angucken, und die Likes für ältere Posts klettern jetzt auch langsam in die Höhe.

Dass diese letzte Aktion mein Facebook-Profil auf den ersten Blick stark prägt, ist unbestritten. Aber ich werde überhaupt nicht darauf reduziert, wenn ich mit Leuten oder den Medien spreche. Man interessiert sich für mich als Person und mein Schaffen als Künstler – diese virale Episode ist jetzt einfach zu meinem Aufhänger geworden. Ich bin jetzt ‚Luca, der mit den Philippinen’. Entscheidend für mich als Künstler ist, dass überhaupt eine Diskussion um meine Person stattfindet, und ich finde meinen Aufhänger super!

Was denkst du, sind die Konsequenzen für deine Karriere?

Ich werde sicher nicht die Koffer packen und verreisen. Zumindest nicht permanent, denn ich bin wegen dieser Sache interessanter geworden für internationale Zusammenarbeiten. Und im digitalen Zeitalter sind die Songs sowieso auf dem ganzen Planeten; um aber mit meinen neuen Fans in Kontakt zu kommen muss ich vor Ort sein.

Nichtsdestotrotz: Schon vor dem Post kam ein Drittel meines Facebook-Publikums aus dem Ausland. Mittlerweile habe ich über 26’000 Page-Likes, wovon aktuell nur ein sehr kleiner Teil aus der Schweiz kommt. Und obwohl das mein Publikum ist, will ich natürlich überhaupt nicht vergessen, woher ich komme, wo mein Zuhause ist.

Luca Little vergisst auch bei 80'000 Liebesbekundungen aus den warmen Philippinen im garstigen Schweizer Winter seine Wurzeln nicht.
Luca Little vergisst auch bei 80’000 Liebesbekundungen aus den warmen Philippinen im garstigen Schweizer Winter seine Wurzeln nicht. (Quelle: facebook.com/lucalittle)

Du bist sehr souverän im Umgang mit Social Media: Was hast du aus dieser Episode gelernt in Bezug auf Selfmarketing als Künstler?

Aus dieser spezifischen Sache habe ich gelernt, dass meine Freude am Umgang mit Social Media und die Authentizität, die ich deswegen ausstrahle, sich ausgezahlt haben.

In den fast fünf Jahren, die ich online präsent bin, habe ich einige Dinge gelernt. Am wichtigsten ist meiner Meinung nach aber diese Erkenntnis:

Es braucht eine greifbare online-Identität, hinter der das Publikum den Menschen spürt. Es geht nicht darum, der Beste zu sein, sondern menschlich.

Ich, zum Beispiel, bin Luca, der einfache Pop-Songs schreibt. Natürlich wäre ich gerne ein technisch virtuoser Ausnahmekünstler, aber ich bin einfach, wer ich bin. Und damit arbeite ich. Ich zeige nicht nur Bilder von Gigs und von Backstage-Räumen, sondern teile Ausschnitte aus meinem Leben, die mich berühren, wie ein Foto vom See. Das hat nichts mit meiner Musik zu tun, aber gerade das ist der springende Punkt: Auch die tollste Musik garantiert nicht, dass die Leute gerne mit dir interagieren.

„Auch die tollste Musik garantiert nicht, dass die Leute auf Social Media gerne mit dir interagieren.“

Sicher, es fängt mit der Musik an, und es hört auch mit der Musik auf – aber dazwischen geht es um andere Dinge. Um die spürbare Freude an der Sache: Wem Social Media nichts sagt, wird auch keine befriedigenden Erlebnisse damit haben. Es geht um die Geduld bei der Sache: Wer nach einem halben Jahr schon riesige Resonanz erwartet, wird enttäuscht sein. Es geht um ein Gespür dafür, wer wo wie kommuniziert: Nicht überall sind unkommentierte Fotos die beste Message.

Aber vor allem geht es um den Mut, sein Gesicht zu zeigen und die Persönlichkeiten hinter der Musik erlebbar zu machen.


Luca unterrichtet für Instrumentor Gitarre und Gesang in Winterthur.