Das Üben ist der Prototyp aller notwendigen Übel. Es wird sicher nicht von ungefähr kommen, dass die beiden Worte sich praktisch gleich schreiben. Die Kunst liegt darin, das „Übel“ im „notwendigen Übel“ vergessen und sich einzig vom „notwendig“ leiten zu lassen.
Schon als Babies haben wir einen ausgeprägten (wenn auch nicht immer ganz unzweifelhaft) Musikgeschmack. Musische Erwachsene haben fabelhafte Attraktivitäts-Quotienten, wie eine diese Woche publizierte Studie uns sagt. Und mit Musik lässt sich in wenigen Fällen – sogar recht losgelöst von der Sache mit dem Sexappeal – ein mehr als passabler Lebensstil finanzieren. Obwohl als Kind praktisch jeder und jede ein Musikinstrument lernen will (oder drei), bleiben am Schluss nur ein paar wenige Gesegnete zurück, die der Musik die Treue gehalten haben.

TL;DR: Der Prioritätenschlund droht jeden Musikschüler dann zu verschlucken, wenn die Motivation zu üben bröckelt – und dass das passiert, darauf kann man Gift nehmen. Ein paar Gedanken sollen dir über den Graben schaffst, wenn er wieder einmal aufreisst.
Deine Motivation ist fast erdbebensicher, wenn du intrinsisch motiviert bist. Das heisst, wenn dir die Tätigkeit an sich und nicht erst das Resultat Spass macht. Wenn du, wie das Bonmôt geht, für dich und nicht für deine Lehrperson übst. Wenn der Weg das Ziel ist. Deine intrinsische Motivation steigt, wenn du mindestens mitbestimmen kannst, was läuft: „Feeling empowered and having a sense of self-determination are characteristics that distinguish play from work„, weiss Professor Robert Woody von der Universität Nebraska. Dazu gehört auch, dass du als Musikschüler das verfolgen kannst, was dir wirklich wichtig ist. Weil: „Music learning is only enhanced when students connect to what they really love about music.“ Intrinsische Motivation ist allerdings nicht das einzig Entscheidende, aber dazu mehr nach ein paar überleitenden Worten.
Obwohl es wichtig ist, selbstbestimmt sein Leben führen zu können: In manchen Situationen müsste man ganz schön radikal sein, um das durchzuziehen. Das heisst, wir kommen immer wieder an Punkte, wo es eigentlich nichts gibt als auf die Zähne zu beissen und durchzumarschieren. Dann lohnt es sich, eine ordentliche Strategie zur Hand zu haben:
- ZIELE – Je nachdem, wie du deine Aufgabe wahrnimmst, kannst du dir die (ungeliebten) nächsten Minuten viel angenehmer oder schlimmer gestalten. Es ist nämlich alles eine Frage der Perspektive, die in deinen Zielen liegt.
Deine Ziele bestimmen deinen Umgang mit deinen Fehlern.
Mastery Goals betonen das Erlernen von Fähigkeiten, das besser Werden, und setzen sich den Lernprozess an sich als Ziel. Eine Tonleiter zu spielen, ist als Mastery Goal eine Art herauszufinden, wo du gegenwärtig Fehler machst und wo du in der Vergangenheit welche gemacht hast.
Performance Goals auf der anderen Seite betonen die bereits erworbenen Fähigkeiten, wie in einer Prüfung. Dabei hast du mehr oder weniger explizit eine zulässige Fehlerquote, an der du abliest, ob du dein Ziel erreicht hast. Dieselbe Tonleiter zu spielen, ist als Performance Goal eine Demonstration deines Könnens.
Mastery Goals haben viel mit der oben schon erwähnten intrinsischen Motivation zu tun. Sie sind besonders geeignet für langfristige, komplexe und insgesamt weniger klar umrissene Ziele, wie etwa ein Stück komponieren oder überhaupt ein Instrument lernen. Performance Goals auf der anderen Seite setzt du dir mit Vorteil für kurzfristige, kleinteilige und konkrete Projekte, wie beispielsweise eine schwierige Passage eines Stücks im richtigen Tempo fehlerfrei spielen zu können. Sie sind die extrinsischen Motivatoren für deinen Musikunterricht: Sie sind Ziele, die nicht im Prozess selber, sondern als Resultat des Lernprozesses erst erreicht werden können. Am besten spornst du dich noch zusätzlich mit einer Belohnung an, die dich im Erfolgsfall erwartet (aber dich nicht vom Üben ablenkt).
Halte auch zwischendurch immer mal wieder Rückschau und beobachte deinen Fortschritt. Wenn du nämlich feststellst, dass du gut auf Kurs bist, gibts grad nochmals Nachschlag mit den Glückshormonen. Und wenn du nicht auf Kurs bist, kannst du früh eingreifen. Und denke nicht, solche Kursabweichungen seien etwas Schlimmes. Ganz im Gegenteil: Sie regen dich an, deine bisherige Strategie zu überdenken und notwendige Änderungen vorzunehmen, um in Zukunft noch besser unterwegs zu sein als bisher!
Eine gute Prüffrage ist: Bringt dich das, was du heute machst, dorthin, wo du morgen sein willst?
- VISION – Mach deine Träume so gross, wie du sie haben willst. Es sind schliesslich deine Träume. Und eine möglichst konkrete Vision zu haben, eine detaillierte und lebendige Vorstellung dessen, was du letztlich erreichen willst, ist der beste Treibstoff. Deine Vision ist deine Passion und bringt dich überhaupt erst in Bewegung. Visionen sind der falsche Ort für Bescheidenheit, hier darfst du nicht nur, hier MUSST du klacksen! Deine Vision wartet hinter dieser Frage:
Wenn du tun könntest, was immer du tun wolltest – was wäre das?
Schreib deine Vision auf und häng sie dir an den Kühlschrank, den Badezimmerspiegel, steck sie dir ins Portemonnaie – verliere sie einfach nicht aus den Augen. Und dann gehst du hin und brichst diese riesige Vision runter in möglichst kleine und realistische Schritte. Es ist entscheidend, dass du erreichbare solcher Zwischenziele hast, weil bei jeder erreichten Zwischenstation dein Gehirn mit Glückshormonen überflutet wird und dich das motiviert, grad den nächsten Schritt in Angriff zu nehmen. Mach dir den Einstieg also leicht und beginne mit den kleinsten und einfachsten Schritten, dann kommt die Vision von selber näher.
Eine Vision zu haben, ist das „Warum“ hinter all der Plackerei zu kennen, die mit dem Musikunterricht zweifellos verbunden ist. Auch die besten Musiker der Welt kommen um das Üben nicht herum, und sie machens meistens auch nicht gern. Aber sie machens einfach – und das ist grad der nächste Punkt:
- ROUTINE: Nirgends in deinem Leben ist Zeit mehr verschwendet wie dabei, dich selber zu überzeugen, etwas zu tun, um das du nicht herumkommst. Machs einfach. Du hast heute noch nicht geübt für die nächste Lektion? Dann hör sofort auf zu lesen und klemm dich hinters Notenblatt! Wirklich: Je länger du damit wartest, desto grösser die Überwindung, die es dich kostet. Es gibt immer 1000 Gründe, etwas nicht zu tun. Und wie viele Gründe es gibt, jetzt dein Instrument zu üben, ist überhaupt nicht von Bedeutung. Weil: Wenn du nicht übst, kannst du es vergessen.
Wenn du Schwierigkeiten hast, dich zum Anfangen zu motivieren, dann fange einfach an!
Warte nicht auf deine Motivation oder irgendein anderes fluffiges Gefühl, das dir das Mühselige lässig macht. Priorisiere deine Routine und bleib immer dran, so wird das Üben plötzlich zu einem völlig normalen Bestandteil deines Tagesablaufs und du kannst noch mehr vom Musikunterricht profitieren.
Das Tolle an der Routine ist, dass sie dem Gehirn mitteilt: „Es ist alles OK!“ Wenn alles seinen gewohnten Gang geht und du deine Aufmerksamkeit nicht irgendwelchen potenziell bedrohlichen Umständen widmen musst, bist du fokussierter. Und wie es der Zufall will, ist „Fokus“ das letzte Stichwort dieser Liste:
- FOKUS: Üben ist oft ätzend. Das schleckt keine Geiss weg, wie man in der Schweiz so schön sagt. Um die ganze Angelegenheit aber endgültig toxisch zu machen, musst du nur noch dafür sorgen, dass du ständig abgelenkt wirst und schliesslich mit der vorgesehenen Zeit nirgends hinkommst oder für dein Tagesziel einfach ein vielfaches an Zeit opfern musst. Darum:
Unterschätze nicht Ablenkungen beim Üben!
Übe mit klaren Zielen, zu ähnlichen Zeiten (beispielsweise immer morgens oder abends), übe am selben Ort, leg dein Telefon stumm weit weg. Versuch auch mal, bevor du überhaupt etwas anderes machst, für zwei bis fünf Minuten einfach bewusst zu atmen. Die Konzentration auf die Atmung hilft dir, dich zu fokussieren.
Ein Teil der Konzentration sind aber auch vorgesehene Pausen. Lege fest, wann du für wie lang eine Pause einlegst und halte dich daran. Belohne dich mit einem Schoggigipfeli oder so fürs Durchhalten, denk an was anderes, bewege dich, schnapp frische Luft.
Und wenn die Pausenzeit um ist, erinnere dich an das, was weiter oben bei der Routine fettgeschrieben steht: Gar nicht erst mit dir selber hadern. Füg dich in dein Schicksal und geh wieder üben.
Zielgerichtet.
Konzentriert.
Passioniert.
Jawoll.
Spätestens, wenn du selig mit jemandem im Arm zu Konzerten gehst oder dir den Bauch vollschlägst oder Babies machst, wird sich jede mühsame Sekunde gelohnt haben.
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