Ein Unternehmen zu gründen kann ich jedem und jeder empfehlen; Es macht Spass und man erhält zahlreich Gelegenheit über grenzdebile Erfahrungen zu lachen. Gut, man kann nicht sagen, dass uns das Zürcher Handelsregisteramt nicht vorab gewarnt hätte:
Als es uns vor ein paar Monaten die Rechnung für den Handelsregister-Eintrag unserer Musikschule schickte, wies es uns auf die zahlreichen unseriösen Registeranbieter hin. Sie würden uns, gemäss Handelsregsiteramt, Eintragungen in „sogenannte Register für Handel und Gewerbe zu übersetzten Preisen“ anbieten.

Die Warnung war berechtigt: Mit der Veröffentlichung unserer Firmenadresse meldeten sich ein Reihe mit offiziell wirkenden Logos auftretender Geschäftlimacher. Die Masche ist einfach: Man bezahlt den offiziell-wirkenden und teuren Einzahlungsschein und wird dann in das offiziell-wirkende Firmenregister eingetragen. Und der Geschäftlimacher hat auf unkomplizierte Art und Weise viel Geld verdient.
Ironischerweise hat uns das Handelsregisteramt nun gestern selber ein solch dubioses Angebot unterbreitet, das es selber wohl auch als Eintragung in ein „Register für Handel und Gewerbe mit übersetzten Preis“ bezeichnen müsste. Die Dienstleistung heisst „Weblink“ und das Angebot sieht so aus.

Wir fassen zusammen: 100 Franken im Jahr (bzw. 80 Franken) will das Handelsregisteramt zusätzlich verdienen, wenn wir dem bereits bestehenden Eintrag unserer Firma noch den Link zu unserer Homepage hinzufügen möchten.
Ok, 100 Franken ist nicht so viel Geld. Doch ist es aus verschiedenen Gründen ein beschämendes Angebot:
So könnte man argumentieren, dass der Grundeintrag im Handelsregister nicht eben billig ist: 771 Franken mussten wir bezahlen, damit ein Beamter einige wenige Unternehmens-Daten wie Adresse und Zweck in eine Datenbank eintöggelt.
771 Franken entsprechen fast 4 Prozent unseres Stammkapitals und ist damit wesentlich höher als die Kapitalrendite mancher Unternehmen. Als Gegenleistung für diesen hohen und komplett risikolos erwirtschaftete Einkunft die Webadresse gleich zu Beginn zu erfassen, wäre nun wirklich kein Zusatzaufwand gewesen.
Doch das Handelsregiseramt bevorzugt es, jährlich zusätzlich 100 Franken zu verlangen. Für dieses Geld nimmt sich der Beamte die Zeit, einmalig 15 Buchstaben („instrumentor.ch“) in ein dafür vorgesehenes Datenbankfeld einzutragen. Dies ist selbst für einen teuren Beamten ein sehr hoch angesetzter Preis.
Das kann folgendes Rechenbeispiel verdeutlichen. Wenn ein Unternehmen durschnittlich zehn Jahre existiert und die durschnittliche Länge des Domainnamen 15 Buchstaben beträgt, macht der Beamte einen Umsatz von 54.60 Franken pro Buchstabe. Bei einer Schreibgeschwindigkeit von 60 Tasten-Anschlägen pro Minute (System Adler) könnte der Beamte auf diese Art und Weise 195’560 Franken pro Stunde erwirtschaften. Kafkaesk, oder?
Doch das Handelsregisteramt gefällt sich in seiner Rolle als Anbieter solch bizarrer Dienstleistungen: Im Brief klopft es sich selber auf die Schulter und bezeichnet sein Angebot „Weblink“ stolz als eine „innovative Dienstleistung“.
Man muss wohl niemandem erklären, dass es im Jahr 22 nach der Erfindung des World Wide Web und des Weblinks durch Tim Berners Lee ziemlich peinlich ist, eine Dienstleistung als „innovativ“ zu bezeichnen, bei der in in einer web-basierten Unternehmensdatenbank „Weblinks“ eingetragen werden.
Noch tragischer jedoch ist, dass man diese „innovative Dienstleistung“ nicht etwa online auf der Webseite des Handelsregisteramtes beantragen kann. Nein, man muss ein auf Papier gedrucktes Formular von Hand ausfüllen und per Post ans Amt schicken.
Ich gehe natürlich davon aus, dass sich das Handelsregisteramt der Lächerlichkeit dieses Angebots durchaus bewusst ist und die Bauernfängerei nur zum Nebenziel hat. Ich denke, der Preis wurde nicht etwa basierend auf den tatsächlichen Kosten berechnet, sondern auf dem Marktwert, der ein solcher Link für ein Unternehmen haben könnte.
Denn ein Link vom Webauftritt des Handelsregisteramts könnte theoretisch sehr viel Wert sein. Bekanntlich macht Google die Platzierung einer Unternehmens-Webseite von der Qualität und Vertrauenswürdigkeit der Verweislinks abhängig. Offizielle Webseiten von Behörden geniessen hierbei eine besondere Beachtung, da sie von Google als qualitativ und vertrauenswürdig eingeschätzt werden und eine Verlinkung somit viel Google-Juice erzeugt und somit einen hohen Wert hat. Dies wäre eine tolle Starthilfe für jedes neu-gegründete Unternehmen.
Der Webauftritt des Handelsregisteramts hat derzeit einen Google PageRank von 6, was relativ hoch ist. Für Unternehmen, deren Umsatz also stark von einer guten Google-Platzierung abhängt könnten die 100 Franken tatsächlich eine lohnenswerte Investition sein.
Aber, Google mag keine bezahlte Links und warnt Webseiten-Betreiber:
„Google ist sehr darum bemüht, Links, deren alleinige Absicht die Manipulation von Suchmaschinenergebnissen ist, wie Programme zum systematischen Linktausch und gekaufte, PageRanks weitergebende Links, unberücksichtigt zu lassen.“
Das Handelsregisteramt rückt sich also mit dem Angebot „Weblink“ in die Nähe von ganz dubiosen Link-Kauf-Programmen, Linktausch-Anbietern, Linkfarms, die von Suchmaschinen-Optimierern genutzt werden, irrelevanten Seiten bei Google eine bessere Platzierung zu verschaffen.
Deswegen: Wer das Amt verpfeifen möchte: Mit diesem Formular kann man Google dubiose Webseiten-Betreiber melden, welche versuchen, Links zu verkaufen
Aufgrund dieser Überlegungen haben wir uns entschieden, auf das Angebot des Handelsregisteramtes vorläufig zu verzichten.
PS: Das Angebot ist nicht nur überteuert, dubios und beschämend. Nein, es ist auch noch stümperhaft. Die im Brief vorgeschlagene URL (http://www.hra.zh.ch/testfirma.htm) mit der man eine Beispielseite der Testfirma betrachten können soll, exisitiert nicht.
[Update: 10:00] Vielleicht haben die netten Anbieter die falsche URL in den Brief gedruckt und stattdessen dieses hochprofessionelle Beispiel hier gemeint: www.testfirma.ch
6. Februar 2012 at 14:03
Da gehen euch aber sicher viele potentielle Musikschüler durch die Lappen, die nach ausgiebigem Googeln immer nur auf Instrumentor-Handelsregistereinträge gelangen und dort keinen weiterführenden „webLink“ finden.
6. Februar 2012 at 19:24
Gut gebrüllt, Löwe!
6. Februar 2012 at 20:36
Köstlich-ironische Glosse, die den Kern der Sache trifft – ich habe gerne darauf verlinkt.
Durch einen Hinweis via Twitter wurde aus meinem Artikel von heute Morgen eine Fortsetzungsgeschichte:
http://www.steigerlegal.ch/2012/02/06/handelsregisteramt-auf-kollisionskurs-mit-revidiertem-uwg/
(Kurzfassung: Das Zürcher Handelsregisteramt sollte das revidierte UWG, das per 1. April 2012 in Kraft tritt, bei Gelegenheit lesen.)
7. Februar 2012 at 11:50
Musiker bleib bei deinen Instrumenten… Die Eintragungsgebühr der GmbH von CHF 771.- umfasst auch eine aufwändige inhaltliche Prüfung der Unterlagen und die Publikation usw.
Weblink ist ein vollkommen anderes, rein freiwilliges Werbeangebot. Wieso soll diese Dienstleistung vom HR-Amt nicht angeboten werden? Es geht hier um den Kauf von Werbeplatz und eine Umrechnung auf ein Stundenumsatz ist sachfremd. Google Adwords-Kosten werden ja auch nicht so umgerechnet.
7. Februar 2012 at 13:23
Lieber Herr Bader
Vielen Dank für Ihren Kommentar.
Sie spielen auf das gängige Vorurteil an, dass wir Musiker etwas dämlich sind und deswegen nur zu unseren Instrumenten etwas sagen sollten. Ich kann ihnen durchaus versichern, dass ich mich genug kompetent fühle, auch hierzu einen wertvollen Meinungsbeitrag zu leisten.
Wie die 771 CHF zustande kommen, folgt bestimmt einem klaren Reglement und somit ist das von mir aus ok. Und ich freue mich zu hören, dass unsere zahlreichen eingereichten Unterlagen auch „geprüft“ wurden.
Beim zweiten Punkt bin ich jedoch gar nicht einverstanden. Sie fragen, wieso das Handelsregisteramt keine Werbedienstleistung anbieten soll?
Bei der Beantwortung dieser Frage kann ich mich Ihrem Vokabular bedienen: „Handelsregister, bleib bei deinen Leisten“. Oder wie sie sagen: das Anbieten von Werbedienstleistungen durch das Handelsregister ist „sachfremd“.
Es ist meines Wissens nicht der Auftrag einer Behörde mit Google Adwords in Konkurrenz zu treten. Selbst in dem auf der Webseite publizierten Auftrag des Handelsregisters steht nichts davon, dass das Handelsregister den gesetzlichen Auftrag hätte, durch ein Online-Werbeangebot Profit zu erwirtschaften oder mit anderen Online-Werbeangeboten zu konkurrieren.
Denn, das wäre ungerecht für die anderen privaten Anbieter. Wieso? Das Handelsregister würde dabei eine Ressource zu willkürlichen Preisen vermarkten, die unter Monopolbedingungen im Auftrag der öffentlichen Hand hergestellt wird.
Aus gutem Grund ist es sogar der SRG, dem von der öffentlichen Hand finanzierten Medienunternehmen, verboten, Werbung auf seinen Online-Auftritten (sf.tv, drs.ch, etc.) zu verkaufen. Ich sehe deswegen nicht ein, wieso das Handelsregister dies tun müsste.
Selbstverständlich ist es zu begrüssen, dass Unternehmen vom Handelsregister verlinkt werden. Aber 2012 sollte das ein Standard sein – für jedes eingetragene Unternehmen – und nicht als teure Extraleistung verrechnet werden.
22. März 2012 at 15:14
Das schiesst nun wirklich jeden Vogel ab! Köstlich, vielen Dank für den Beitrag – habt ihr ihn ans HR-Amt geschickt? Würd ich unbedingt machen…